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Internierungslager: Die Evangelische Lagergemeinde


Inhalt

Quelle:
Klaus von Eickstedt: Christus unter Internierten. Neuendettelsau: Freimund-Verlag 1948.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des © Freimund-Verlags.

Christus unter Internierten

von Dr. Klaus von Eickstedt

Kircheneintritte

Viele Kameraden im Lager, die treu zu den Gottesdiensten und zur Bibelarbeit kamen, waren in den letzten Jahren aus der Kirche ausgetreten. Nun kamen sie und baten um Wiederaufnahme. Der Verdacht, daß manche von ihnen nur aus „Konjunktur“ wieder zur Kirche zurückkamen, vielleicht um durch ihren Wiedereintritt bei der kommenden Entnazifizierung eine bessere Beurteilung zu finden, lag sicherlich nahe. Wir mußten also, um gegen diese Gefahren wenigstens nach menschlichen Gesichtspunkten gesichert zu sein, Sicherungen einschalten. Aus diesem Grunde wurde allen, die nach der Möglichkeit fragten, wieder in die Kirche eintreten zu können, bedeutet, sie hätten ein halbes Jahr an sämtlichen gottesdienstlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Während dieses halben Jahres war es die Aufgabe der Block- und Barackenvertrauensleute, in brüderlichem Gespräch einen Eindruck darüber zu gewinnen, ob es den Bittstellern wirklich tiefer Ernst war. Auf Grund dieses Votums konnten sich diese Kameraden zum zwölfstündigen Schlußunterricht anmelden, der im Lager allgemein „Konfirmandenunterricht für Erwachsene“ genannt wurde. Im Mittelpunkt dieser letzten Unterweisung standen die biblische Heilsgeschichte, der kleine Katechismus und die 10 Gebote. Über die Teilnahme an diesem Unterricht wurde Buch geführt. An diesem Konfirmandenunterricht nahmen auch manche Kameraden teil, die nicht aus der Kirche ausgetreten waren, weil sie in diesem Unterricht eine erwünschte Gelegenheit fanden, die von ihnen stark empfundenen Lücken auszufüllen. Während dieser Vorbereitungszeit nahm der Lagerpfarrer Gelegenheit, mindestens einmal mit jedem neuen Konfirmanden ein längeres seelsorgerliches Gespräch zu führen. Der Gemeinde lag sehr daran, diese zur Kirche zurückstrebenden Kameraden merken zu lassen, daß ihre Lage mit liebendem Verständnis, aber auch mit freimütiger Offenheit beurteilt wurde. Nichts lag uns ferner, als den Kirchenaustritt als die Sünde des Nationalsozialismus zu diffamieren; denn wir waren uns darüber völlig klar, wieviel Schuld, daß es zum Kirchenaustritt gekommen war, auch auf seiten der Kirche lag! Bis zum Pfingstfest des Jahres 1946 waren 140 Kircheneintritte rechtlich durch die Gemeinde Freising auf Ansuchen unseres Lagerpfarrers vollzogen worden, weitere 60 Kameraden waren der Heimatgemeinde zum Wiedereintritt empfohlen worden. Bis zur Auflösung des Lagers waren etwa 400 Internierte wieder der evangelischen Kirche beigetreten. Es soll nicht verschwiegen werden, daß sich manche „Konjunkturritter“ sowohl an die evangelische, wie an die katholische Kirche im Lager heranmachten, um zu sondieren, wo es leichter war, wieder einer Kirche anzugehören. Sie waren dann meist sehr erstaunt, wenn sie merken mußten, daß unsere Kirche auf einen äußerlichen Beitritt zu ihr nicht den geringsten Wert legte. Der Wiedereintritt unserer Kameraden wurde vor der ganzen Gemeinde in einem feierlichen Abendmahlsgottesdienst vollzogen. Es ist uns wiederholt von Kameraden, die zurückgefunden hatten, bestätigt worden, daß die Teilnahme der ganzen Gemeinde ihnen ein bisher nie gekanntes Gefühl der Geborgenheit vermittelt habe. Manche von denen, die im Lager wieder zur Kirche zurückgefunden hatten, wurden die treuesten und tätigsten Mitarbeiter in der Gemeinde.



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